Nicht nur Nörgelei.

Wie Redaktionen von Nutzerfeedback profitieren können

Meine Arbeit untersuchte den Stand des dialogorientierten Journalismus in Online-Redaktionen – und welcher Nutzen aus einer Optimierung zu ziehen wäre.

An das hohe Ideal des partizipativen Journalismus reichen die Bemühungen um den Nutzer in den meisten Redaktionen noch lange nicht heran. Im Gegenteil unternehmen einige Verlage gerade Schritte, die Hemmschwelle für Beteiligung immer noch höher zu setzen oder die Nutzer wieder gänzlich von ihren Websites auszusperren.
In manchen Essays und Feuilleton-Texten über den Dialog mit den Nutzern spiegelt sich diese Haltung wieder: Die Autoren machen keinen Hehl daraus, dass sie die Beziehung zwischen Journalist und „Rezipient“ nur ungern als gleichberechtigt anerkennen möchten. Gerade die empfundene Verbindung zum Journalisten sorgt aber dafür, dass Nutzer ein Medienprodukt als glaubwürdiger und wertvoller empfinden lässt. Kann der Nutzer sich zusätzlich noch einbringen, erzeugt dies eine hohe Bedürfnisbefriedigung und verstärkt die Bindung zur Marke.

Dennoch erkennen manche Verlage diese Effekte noch nicht an: Dies entsteht aus der Problematik, dass Nutzermotivation zwar erklärbar und sogar bedingt steuerbar ist, die Qualität der Beiträge aber nicht automatisch den höchsten Ansprüchen genügt. Die Sorge, dass Nutzer ihre Macht missbrauchen könnten, herrscht in den Diskussionen über Kommentare daher auch bei aufgeschlossenen Redaktionen immer noch vor.

Das Thema wird meist aus einer problemorientierten Perspektive betrachtet. Tatsächlich unterliegen Verlage und Redaktionen vielen Einflüssen, die den Ton der Diskussion ins Negative abgleiten lassen: Community-Arbeit ist aufwändig und teuer und der Nutzen ist schwer messbar – es fehlen verlässliche, quantitative Daten. Auch die rechtliche Lage ist noch zu unklar, die konkreten Entscheidungen von verschiedenen Gerichten sind im Einzelfall kaum vorherzusehen. Dies führt zu großer Vorsicht und einer stetigen Angst vor dem randalierenden Troll.

Dabei zeigt meine Untersuchung, dass diese Angst besonders unbegründet ist, wenn eine Redaktion mit genügend Arbeitskräften ausgestattet ist, um die Community-Arbeit persönlich, transparent und konsistent durchzuführen. Die Fallbeispiele und auch die befragten Experten deuten darauf hin, dass es hierzulande einige Redaktionen gibt, die den Wert des Dialogs bereits vor Jahren erkannt haben. Deren Journalisten bringen sich in Debatten aktiv ein, bitten Nutzer um Hilfe bei der Recherche, verfassen Folgebeiträge und behandeln ihre Arbeit als transparenten Prozess, der mit der Veröffentlichung nicht abgeschlossen ist. Sie haben Zeit dafür, denn ihre Verlage betrachten es als eine hohe Priorität, dem Nutzer sämtliche Beteiligungsmöglichkeiten zu bieten, die Debattenkultur hochzuhalten und mit modernen Kommentarfunktionen alle Register zu ziehen.

Davon profitieren manche der Verlage schon direkt ökonomisch, doch diese Maßnahmen sind vor allem eine Investition in die Zukunft: Dialogorientierter Journalismus spiegelt sich in der Qualität der Produkte wieder, lässt die verantwortlichen Vordenker zu gefragten Experten werden und sorgt insgesamt für eine deutliche Stärkung der Marke. Diese modernen Redaktionen sind auf einem Weg, der zu einer noch intensiveren, wertvolleren Einbindung von User Generated Content führen kann. Eventuell kommt es auf diese Weise in Zukunft sogar zu jenem echten partizipativen Journalismus, den sich einige Enthusiasten schon jetzt für die Gegenwart wünschen.

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