Containerschiffe und Kreuzfahrten belasten unser Klima, verschmutzen die Luft und stören das Leben im Meer. Windschiffe wären eine grüne, sparsame Alternative. Doch solange Öl so billig bleibt, kämpfen emissionsarme Modelle um ihre Daseinsberechtigung.

Wenn der Wind kräftig Richtung Küste bläst, muss der Kapitän der „Tres Hombres“ vorsichtig steuern. Denn kein Motor kann seiner Crew und dem alten Segelfrachter in gefährlichen Momenten helfen. „Wir haben bewusst keinen eingebaut, um nicht in Versuchung zu kommen“, sagt Andreas Lackner, Mitgründer der niederländischen Nischen-Reederei Fairtransport. Das saubere Frachtschiff ist momentan mit europäischen Waren über den Atlantik bis in die Dominikanische Republik unterwegs: Voll mit Rum, Kakao und Kaffee beladen, wird die Tres Hombres nach rund fünf Monaten wieder in der Hafenstadt Den Helder, am nördlichsten Punkt von Nordholland ankommen.

Ihre Fracht löscht – also entlädt – die Crew mühsam von Hand: 35 Tonnen oder etwa 20 Europaletten transportiert der Zweimaster maximal. Zum Vergleich: Das aktuell größte Containerschiff der Welt ist fast 400 Meter lang und kann etwa 21.400 Standardcontainer mitnehmen.
Kleine Segelfrachter wie die Tres Hombres sind Exoten in einer weltweiten Flotte von rund 90.000 Schiffen. Die Gründe: Wann sie ankommen, hängt vom Wetter ab. Und der umweltschonende Transport kostet Partner wie die Rostocker Weinhandlung Schollenberger etwa drei- bis viermal höhere Gebühren. „Unsere Kunden bezahlen den wahren Preis“, protestiert Lackner. „Natürlich ist es billiger, die Luft zu verpesten und die Meere zu verschmutzen.“

Schiffe sind von Klimazielen ausgenommen

Seit 2010 segelt der umgebaute Kriegsfischkutter als schwimmendes Ausrufezeichen über den Atlantik: Denn die Schifffahrt ist von den globalen Zielen zur Reduktion der Treibhausgase sogar ausgenommen worden. Dabei wird der Seeverkehr wegen des wachsenden Welthandels vermutlich jährlich um bis zu zwei Prozent ansteigen. Schon jetzt ist er laut der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) für fünf Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen könnten sie sich bis 2050 verdreifachen.

„Umweltfreundliche Kreuzfahrtschiffe gibt es nicht.“

Und dennoch gelten die Ozeanriesen als effizient: Pro Kilogramm Frachtgut stoßen sie von allen Transportmitteln am wenigsten CO2 aus. „Das Verhältnis von Masse zur benötigten Antriebsenergie ist günstig. Bei einem Flugzeug brauchen Sie ja schon rund die Hälfte des Treibstoffs allein, um in der Luft zu bleiben“, erklärt der ehemalige Schiffsbauingenieur Peter Schenzle. „Werden Schiffe allerdings zu schnell, bremsen wieder große Wellen sie ab“, sagt er. „Das ist, als würde ein Lastwagen ständig bergauf fahren.“ Schnelle Containerschiffe oder auch die vielen Mittelmeer-Fähren seien dann mit Flugzeugen im CO2-Ausstoß durchaus vergleichbar. Schenzle beschäftigt sich seit fünfzig Jahren mit Windschiffen als ökologische Alternative und hält an der TU Hamburg noch Vorlesungen dazu. „Zu Beginn rüttle ich die Studenten gern mit Fakten über den Klimawandel auf.“

Verbrannt wird der Sondermüll der Ölindustrie

Er kritisiert seine Branche auch für die giftigen Stickoxide, Schwefeloxide und Rußpartikel, die sie in die Hochseeluft pustet. Außerhalb von speziellen Schutzzonen verbrennen die meisten Schiffe vor allem billiges Schweröl mit einem Schwefelgehalt von bis zu 3,5 Prozent. Das sind 3500 Mal mehr, als für Diesel-Autos oder Benziner an Land erlaubt wäre. Erst ab 2020 wird die Grenze weltweit bei 0,5 Prozent liegen. „Schweröl ist eigentlich der Sondermüll der Ölindustrie“, sagt Schenzle. „Teilweise ist das so dreckig, dass es noch an Bord in einer Zentrifuge vorgereinigt oder fein gemahlen werden muss. Damit die Einspritzdüse des Motors nicht verstopft.“

Auch die Abgase von Kreuzfahrtschiffen sind keineswegs so sauber wie deren glitzernde Pools an Deck. Jedes Jahr veröffentlicht der Nabu sein „Kreuzfahrtranking“ und auch 2017 fasst Verkehrsexperte Christoph Oeliger die Ergebnisse so zusammen: „Umweltfreundliche Kreuzfahrtschiffe gibt es nicht.“ Zwar gilt auch für sie in Schutzzonen wie der Nord- und Ostsee eine Grenze von 0,1 Prozent Schwefelgehalt im Treibstoff. „Aber Rußpartikelfilter oder andere wirksame Abgasnachbehandlungen sucht man auf den meisten Schiffen immer noch vergeblich“, sagt Oeliger. Dabei müsste dank guter Geschäfte die Branche mehr tun, findet er. Im kommenden Jahr setzt AIDA immerhin das weltweit erste Kreuzfahrtschiff mit Liquified Natural Gas (LNG) als Treibstoff ein und verkündet schon „eine hundertprozentig saubere Kreuzfahrt.“
Das bei minus 163 Grad unter hohem Druck verflüssigte Erdgas verbrennt wirklich gesünder: kaum Emissionen von Stickstoffdioxiden und etwa 28 Prozent weniger CO2 entstehen. „LNG ist aber nur ökologischer, wenn zwischen Förderung und Verbrennung nicht viel Methan entweicht“, schränkt Oeliger ein. Dieser Hauptbestandteil von Erdgas ist sogar 30 Mal so klimaschädlich wie Co2. „Wir sollten so schnell wie möglich erneuerbare Energieträger wie Sonne oder Wind nutzen.“

Nur wenige Windschiff-Entwürfe wurden je getestet

Der Schiffsbau-Experte Peter Schenzle glaubt nicht an einem raschen Durchbruch der Windschiffe: „Das Interesse der Branche steigt und sinkt leider zuverlässig mit dem Ölpreis.“

Momentan sei Schweröl schlichtweg zu billig und Reedereien würden riskante Investitionen scheuen, bestätigt der Ingenieur und Hochschulprofessor Volker Bertram, hauptberuflich Projektmanager bei der internationalen Klassifikationsgesellschaft DNV GL. „Es gab viele Vorschläge, viele Patente, viele akademische Veröffentlichungen und dann nur wenige Installationen.“

Auch um den gewagten Entwurf des norwegischen Schiffskonstrukteurs Terje Lade ist es ruhig geworden: Der ganze Rumpf „Vindskip“ sollte selbst geformt sein wie ein Segel und in Kombination mit einem LNG-Motor etwa 60 Prozent des Treibstoffs einsparen können. Ob das Schiff wohl je gebaut wird? „Wir stecken noch mitten in den Verhandlungen und möchten uns erst in ein bis zwei Monaten äußern“, schreibt Terje.

Ebenfalls in der Anbahnung neuer Geschäfte befindet sich das Hamburger Unternehmen Sailing Cargo mit seiner Quadriga. Für den Bau sollen nach Unternehmenskreisen schon zwei potenzielle Partner in Frage kommen. Denn das Vorgänger-Projekt, das Auto-Frachtschiff „Ecoliner“, war nach intensiven Planungen mit Volkswagen im Frühjahr überraschend beendet worden. Die Quadriga wäre der weltweit größte, modernste Frachtsegler: Ein sogenanntes „Dyna-Rigg“ würde dafür sorgen, dass ihre vier Segel mit etwa 5000 Quadratmetern Gesamtfläche innerhalb von wenigen Minuten vollautomatisch gesetzt oder gerefft werden können. Trotz zusätzlichem Dieselantrieb würde sie nur bis zu zwölf Knoten schnell werden, dafür aber rund achtzig Prozent des Treibstoffs einsparen und keine große Segelcrew brauchen.

Flügelsegel sollen die Branche abheben lassen

Der Schiffsbauexperte Schenzle kennt alle möglichen Systeme und erhofft sich von festen Flügelsegeln in Kombination mit synthetischen Treibstoffen die besten Chancen für emissionslose Schifffahrt. Wie senkrecht gestellte Tragflächen eines Flugzeugs erzeugen „wing sails“ nämlich ordentlich Vortrieb. „Das Prinzip sieht man bei den Regatten des America’s Cup sehr gut, die Teilnehmer fliegen geradezu übers Wasser“, sagt Schenzle. „Für Reedereien ist aber eher konstante Leistung wichtig.“

Das würde für Skysails zum Problem: Das Hamburger Unternehmen hatte schon an mehreren Frachtschiffen automatische Zugdrachen nachgerüstet. Sie sollten die starken Winde sogar dreihundert Meter über dem Meer nutzen und bis zu 35 Prozent Treibstoff einsparen. „Sie würden das Deck nicht blockieren und es gäbe auch keine Probleme mit niedrigen Brücken“, nennt Schenzle die Vorteile des Konzepts. „Aber leider muss dafür der Wind von hinten kommen.“ Die Einsparungen betrugen im Praxistest teilweise nur sechs Prozent – und mit dem Ölpreis fiel die Investitionsbereitschaft der Reedereien.

Fairtransport wächst jedoch: Die Niederländer arbeiten schon an zwei größeren Klippern, mit einer Kapazität von unter 500 Tonnen. Mehr Masse interessiert Andreas Lackner und seine Partner gar nicht. Seetransport sei bestimmt für besondere Waren, die es daheim nicht gibt. „So wie Olivenöl in Brasilien oder Kaffee bei uns.“ Für verderbliche, exotische Früchte ist so ein Klipper nicht geeignet. „Dafür muss man eben mal reisen“, findet Lackner. Und wer sich die umweltfreundliche Segelkreuzfahrt nicht leisten kann? Der ist als Trainee an Bord der Tres Hombres herzlich willkommen.