Musizieren ist gut für Seele und Geist. Ich will darum endlich auch (klein) anfangen: mit der Ukulele.


Pling, Plong, Pläng. Laut ist meine Ukulele allemal. Jetzt müsste sie nur noch richtig klingen. Musiklehrer Michael Roselieb hat uns aufgetragen, die vier Saiten des Instruments auf G, C, E und A zu stimmen. Aber: Ein A in C-Dur zu erkennen? Kann ich nicht. Das wird sich jetzt ändern. Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich ein Instrument erlernen.

Schon als fünf Jahre altes Mädchen wollte ich das, doch meine Eltern hatten weder die zeitlichen noch finanziellen Möglichkeiten dafür. Als ich fünfundzwanzig Jahre später auf einen Ukulele-Wochenendkurs für Anfänger stoße, macht mein Herz einen kleinen Hüpfer. Am Produktionsstandort in Schrems bietet die genossenschaftliche Schuh-Manufaktur Gea ein vielseitiges Akademie-Programm an: von Maschinenstricken über Porträtfotografie bis Ausdruckstanz. Und eben Ukulele. Ich buche sofort.

Für Anfänger wie mich ist die Ukulele bestens geeignet. Die hawaiianische Cousine der Gitarre hat zwei Saiten weniger und ist schon ab 35 Euro in annehmbarer Qualität zu haben. Ertönt irgendwo ihr exotischer Klang, beamt mich das gedanklich sofort zu langen Sommertagen am See zurück. An denen meine Schulfreunde und ich dösten, Jack Johnsons Strandmusik lauschten und lauwarmes Bier tranken.

Derart entspannte Momente im Erwachsenenalltag – mehr erhoffe ich mir vom Ukulelespielen gar nicht. Lehrer Michael, genannt Michi, bestätigt mich darin: „Wir haben das absichtslose Musizieren verlernt“, sagt er. „Musik muss nicht perfekt sein, um zu wirken.“

Hat sich das Ukulele-Spiel selbst beigebracht: Trainer Christoph Birkmayer

Wie stark das Musizieren uns Menschen beeinflusst, hat der New Yorker Psychologie-Professor Gary Marcus selbst erfahren: Mit 40 Jahren hat er Gitarre gelernt und sagt, sein ganzes Körpergefühl habe sich dabei verändert. „Wir müssen zum Beispiel unsere Augen-Hand-Koordination verbessern, um mit einem Instrument umgehen zu können.“

Wissenschaftlich belegt ist auch, dass unser Gehirn im Erwachsenenalter noch formbar ist; neuronale Plastizität nennt sich das. Und: Zwischen Jazz-Pianisten und klassischen Klavierspielern findet man messbare Unterschiede im Gehirn, denn Improvisieren beansprucht andere Bereiche als Notenlesen. Freies, aktives Musizieren verbessert laut einer finnischen Studie außerdem die Behandlungserfolge bei Menschen mit klinischer Depression für mehrere Monate.

Musik könnte also Einiges mit mir machen – wenn ich nur wüsste, wie man sie macht. Aber um das herauszufinden bin ich ja nun hier, im nördlichen Eck des österreichischen Waldviertels. Unsere Ukulele-Lehrer Michi und Stoffl (Christof Birkmayer) haben für den Kurs ein klares Ziel festgelegt: Nach drei Tagen sollen wir beim Abschlusskonzert einige Lieder spielen. Ich schaue in die Runde und bin beruhigt: Einige der Kursteilnehmer scheitern so wie ich bereits daran, den Notenständer alleine aufzubauen. 

Nicht nur ich bin nervös und frage mich, ob meine Begabung reichen wird. Für die Schauspielerin Elfriede, die berufsbedingt ein gutes Auftreten hat, ist der Kurs ein Selbstexperiment: „Ich habe dafür noch den Mut zum freudvollen Scheitern gebraucht“, sagt sie. Schon an der Grundschule fand eine Lehrerin ihre Stimme „zu tief für ein Kind“ – und ließ sie einfach nicht mehr mitsingen. „Erst in der Schauspielschule habe ich Freude am Singen erfahren.“

Michi nimmt auch uns anderen die Scheu vor dem Singen. „Unsere ganze Sprache ist doch Gesang“, sagt er. Er ist überzeugt, dass wir alle eine musikalische Basis mitbringen. 

Ein Gefühl für Melodien ist das Eine – Akkorde selbst zu greifen und mit der rechten Hand die Saiten sauber zu schlagen, etwas ganz Anderes. Zum Beispiel das G7: Linker Zeigefinger auf die zweite Seite im ersten Bund, Mittelfinger auf die dritte im zweiten Bund und den Ringfinger direkt darunter auf die vierte Saite. Klingt so kompliziert, wie es sich für meine Finger anfühlt.

Als wir abwechselnd von C auf F und aufs G7 umgreifen und dabei auch noch einen lässigen Rhythmus schlagen sollen, kriege ich Schweißausbrüche. Das Kinderlied „Brüderchen, komm tanz mit mir“ hat einige schnelle Akkordwechsel – für mich der pure Horror. Nach drei Stunden gemeinsamen Spielens werden meine Fingerkuppen taub.

Immer wieder schiele ich hinüber zu Elfriede, sie kommt auch mit den Griffen durcheinander und muss öfter neu einsetzen. „Ich schwanke ständig zwischen Frustration und Euphorie“, gesteht sie in der Pause. Ans Aufgeben verschwenden wir aber keinen Gedanken: Der Sound der Gruppe verzeiht so manchen falschen Ton und trägt uns weiter.

„Die Regel Nummer Eins ist, dass Musizieren euch Freude machen soll“, sagt Stoffl, der die Ukulele fast nie weglegen mag und auch beim Feierabendbier noch launige Wienerlieder für uns singt.

Später schreibt mir Elfriede, dass sie nun jede Woche zwei- oder dreimal eine Stunde übt. „Ukulele-Kurse sollte es auf Rezept geben“, findet sie. Eine leichte, heitere Grundstimmung habe sie daraus mitgenommen. „Das Grinsekatzen-Gefühl hält an.“

Die Euphorie erfüllt auch mich: bei der Generalprobe unseres Konzerts. Als wir fast fehlerfrei „Eight Days a Week“ von den Beatles spielen und dabei stimmlich geradezu verschmelzen, spüre ich das berühmte Flow-Gefühl – die Töne vibrieren vom Bauch direkt ins Herz. Wir machen gemeinsam Musik! Mich rührt das so, dass die Akkorde vor meinen Augen kurz verschwimmen. Ich spiele einfach weiter.