Ein Bett auf Bierkisten oder ein getischlertes Designerstück? Möbel sagen mehr über uns aus, als wir glauben. Der Wohnpsychologe Uwe Linke sieht selbst in einer Stehlampe noch ein Stückchen Persönlichkeit. Und er weiß, wie man mit der richtigen Einrichtung auch in seinem Leben aufräumen kann.

Foto: The Daily English Show

Wir Deutschen geben europaweit am meisten für Möbel aus. Warum ist uns Einrichtung so wichtig?

Wir verbringen ja mehr als achtzig Prozent unserer Freizeit zuhause. Wie diese Umgebung aussieht, kann darüber entscheiden, ob wir fit sind oder uns geschwächt fühlen.

Einrichtung, die krank macht?

Gerade der Einfluss der Beleuchtung wird unterschätzt. Die meisten halten sich sklavisch an den einen Deckenanschluss, den der Elektriker vorgesehen hat und sorgen zusätzlich für viel zu wenig Beleuchtung. Das kann depressiv machen.

Was sagt Ihnen eine Bude, in der alles zusammengewürfelt wurde?

Wenn jemand seine Wohnung nur als Ort sieht, in dem er Bett, Couch und Tisch abstellen kann, hat er sie sich nicht »angeeignet«. Gerade junge Männer flüchten sich dann vor den Computer und Fernseher oder sind ständig unterwegs. Das kann darauf hindeuten, dass jemand Angst vor dem Alleinsein hat und mit sich nicht im Reinen ist.

Ein Alarmzeichen auch für jede Frau, die in so einer Wohnung eventuell mal aufwacht?

Es gibt natürlich auch überzeugte Puristen. Aber eine spartanische Einrichtung mit vielen Provisorien könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass jemand sich nicht festlegen oder Verantwortung übernehmen will. Ich habe einen Mann kennengelernt, in dessen Wohnung nur noch der traurige Rest übrig war, den seine Exfrau nach der Scheidung zurückgelassen hat. Er wollte warten, bis die nächste Frau für Wohnlichkeit sorgt.

Es gibt ja auch das andere Extrem: Wohnungen, in denen vom Türabstreifer bis zum Teeuntersetzer alles druchgestylt ist.

Die Wohnung eines Nähetyps. Der legt seine Einrichtung auf die Bedürfnisse anderer aus und hat Angst vor Zurückweisung. Gerade viele Frauen vergessen dabei ihre eigenen Bedürfnisse. Eine authentische Wohnung erkennt man daran, dass sich Gäste wohl fühlen, obwohl sie selbst solche Möbel nie aussuchen würden.

Wenn man mit den Möbeln nicht mehr zufrieden ist, fährt man schnell zu Ikea. Aber kann man sich mit der Massenware überhaupt authentisch einrichten?

Ikea hat modernes Wohnen mit dem Gedanken des Bauhauses erst bezahlbar gemacht. Man kann damit mehr machen, als es scheint. Wir alle kennen die üblichen Ausreden: Die Wohnung ist zu klein, das Viertel ist falsch, das Geld ist zu knapp. Aber in anderen Kulturen schaffen es Menschen auch mit weniger Mitteln, sich ein wohnliches Zuhause zu schaffen. Ich könnte Ihnen auch aus Orangenkisten eine Wohnung toll einrichten.

Um nicht in einem Ikea-Katalog zu wohnen, gehen wir auf den Flohmarkt. Warum gibt uns eine abgeschrammelte Kommode ein gutes Gefühl?

Vintage ist die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, nach weniger Sorgen und weniger Perfektion. Da sind gerade bei jungen Leuten die Fünfziger und Sechziger sehr beliebt, weil damals noch der Glaube an Wachstum und Schaffenskraft herrschte. Gebrauchte, leicht beschädigte Möbel nehmen den Druck: Es muss nicht alles tadellos und fehlerfrei sein.

Ist es nicht sowieso ein komischer Gedanke, sich mit seelenlosen Dingen seiner Individualität versichern zu wollen?

Ja, es kann durchaus etwas Kompensation dabei sein, wenn jemand ständig auf der Suche nach dem Außergewöhnlichen ist – um davon ablenken, dass er sich selbst recht gewöhnlich und unscheinbar fühlt. Seelenlos müssen die Dinge aber dadurch noch lange nicht werden: Etwas wirklich Ungewöhnliches ist oft mit Handarbeit von Menschen hergestellt, die noch an Ideale glauben.

Weil wir von Mainstream sprechen: Von welchen deutschen Klassikern würden Sie abraten?

Laminat. Ein fragwürdiger Kunststoff, der Holz simulieren soll. Nach zwei Jahren sind die Latten so angegriffen, dass man sie austauschen müsste. Aus ästhetischer, finanzieller und ökologischer Sicht ist das sinnlos.

Uwe Linke führte jahrelang ein Einrichtungshaus. Seine Erfahrungen als Wohnberater verarbeitete der Psychotherapeut in zwei Büchern: „Die Psychologie des Wohnens“ und „Single Frau wählt Single Mann und schaut sich seine Wohnung an – Was die Einrichtung über den Charakter verrät.“

Fotos: The Daily English Show; Uwe Linke; Teaserbild: soleh!!