Zum Fest der Liebe werden Millionen Nadelbäume gefällt. Der Baum-Mord muss nicht sein, findet unsere Autorin Rebecca Sandbichler und macht sich auf die Suche nach Alternativen.

„[…] Ein Diener trug den alten Tannenbaum auf den Hof. “Nun werde ich leben”, jubelte der Baum und breitete seine Zweige aus. Aber die waren alle vertrocknet und gelb. Nur der Stern aus Goldpapier saß noch oben an der Spitze und glänzte im hellen Sonnenschein. Die Kinder, die am Weihnachtsabend den Baum umtanzt hatten, kamen herbei und riefen: “Seht, was da noch an dem hässlichen alten Tannenbaum sitzt!” Und sie traten auf die Zweige, dass es krachte und knickte.“

Hans Christian Andersen hatte ein Händchen für traurige Geschichten (siehe „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“). Das Schicksal „vom Weihnachtsbaum“ hat mich als Kind so berührt, dass ich mich von da an immer mit größtem Respekt von unseren Fichten verabschiedete, wenn sie – Nadeln lassend – aus dem Wohnzimmer geschleift wurden.

Der wurzellose Weihnachtsbaum

Im letzten Jahr war es zum ersten Mal meine Aufgabe, selbst ein Bäumchen für meine kleine Familie zu kaufen. Und mit größter Hoffnung besorgte ich eine Fichte im Topf. Die würde ich sofort nach Weihnachten einpflanzen, schwor ich mir. Das Bäumchen sollte leben, leben, leben. Doch meine nachhaltige Idee hatte ein paar Haken: Wir haben keinen Garten und auch keiner unserer Freunde würde das Bäumchen nehmen können. Außerdem las ich in einschlägigen Pflanzenforen, dass die kleine Fichte jetzt vermutlich schon klinisch tot war – weil ihr beim Eintopfen fast alle Wurzeln abgehackt wurden. Und wenn nicht, würde sie im warmen Wohnzimmer vermutlich vorzeitig austreiben; es sei denn, ich stellte sie für den Großteil des Tages auf den Balkon.

„Versuchen muss ich es“, dachte ich mir trotzig, drehte die Heizung im Wohnzimmer herunter, wässerte den Weihnachtsbaum und stellte ihn zum Übergang vor der feierlichen Einpflanzung im Wald auf den Balkon. Dort stand er dann – drei Wochen lang. Weil wir in den Urlaub gefahren waren, und ihn nicht rechtzeitig ausgesetzt hatten. Als wir zurückkamen, starrte er uns mit seinen halbnackten Zweigen durch die Balkontür an. Bildete ich mir zumindest ein. Und zwang meinen Mann, den Halbvertrockneten in unser bakfiets zu laden und mit mir im hartgefrorenen Waldboden einzusetzen. „Beizusetzen“, würde der jetzt sagen, wenn er die Geschichte erzählen könnte. Denn als er vor einigen Tagen beim Joggen unseren alten Weihnachtsbaum im Wald besuchte, fand er nur noch ein Gerippe; ein Baumskelett auf faulendem Laub.

Weihnachten ohne Baumtod

Trotz dieser bitteren Wahrheit möchte ich es in diesem Jahr wieder mit einem ökologisch vertretbaren Weihnachtsfest versuchen. Um die Wälder zu schonen, überlegte ich sogar einen Moment lang, einen Plastikbaum zu kaufen. Doch das wäre zu kurz gedacht. Nach einer Untersuchung im Auftrag des australischen Umweltministeriums müsste man nämlich 17 Jahre lang mit demselben Bäumchen feiern, um eine ähnliche CO2-Bilanz zu erreichen wie mit echten Bäumen. Und es werden bei der Herstellung dieser Plastikbäume nicht nur wertvolle Ressourcen verschwendet, sondern auch Giftstoffe freigesetzt. Beim Gedanken an die krebserregenden Weichmacher, die wahrscheinlich im Laufe der Zeit aus dem Ding ausdampfen würden, ist mir wenig weihnachtlich zumute.

Doch es gibt noch ein paar andere Möglichkeiten, umweltschonend und trotzdem (halbwegs) traditionell Weihnachten mit einem Bäumchen zu feiern:

Oh du schön – toter – Biobaum

Über 80 Prozent aller gekauften Weihnachtsbäume kommen aus großen, überzüchteten Monokolturen, die mit Pestiziden von Käfern und anderen Parasiten befreit und durch halb Europa zu uns gekarrt werden. Wenn es also schon ein geschlagener Baum sein soll, dann am besten einer aus biozertifizierter Zucht und mit möglichst regionaler Herkunft. Vertrauenswürdige Zertifikate sind zum Beispiel FSC (Forest Stewardship Council), Bioland, Naturland oder Demeter. Eine Liste mit Anbietern von Öko-Bäumen findet man auf robinwood.de. Einige Forstämter bieten auch an, sich selbst einen Baum zu fällen, der sowieso zur Waldpflege geschlagen werden müsste. Einfach mal nachfragen.

Topf- oder Containerbaum

Ich will ja ein Leben bewahren und werde es daher in diesem Jahr wieder mit einem Bäumchen im Topf versuchen. Diesmal aber mit einem aus biologischem Anbau aus einer möglichst nahen Baumschule. Da so genannte Ballenpflanzen meistens kaum noch Wurzeln haben, möchte ich diesmal am liebsten einen, der im Container gewachsen ist. Vielleicht eine Kiefer? Die sieht als Weihnachtsbaum interessant aus und ist auch in unseren Breitengraden heimisch. Damit stehen die Chancen auf eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Waldgesellschaft sehr gut.

Bau dir deinen Baum

Wem es zu Weihnachten nicht aufs Grün ankommt, der kann in einen Designer-Baum aus Holz investieren. Oder sich so ein Bäumchen einfach selber bauen. Es lässt sich aber auch Einiges verwerten, was sonst nur sinnlos herumsteht: Eine Leiter oder Staffelei, alte Umzugskartons, Zeitungen, Werbekataloge und Magazine zum Beispiel, oder haufenweise Plastikflaschen von der letzten Party. Und wer keine Zeit zum Schmücken hat, projiziert sich den Baum einfach an die Wand.

Geschenke im Garten

Beneidenswerte Gartenbesitzer könnte Weihnachten auch etwas ungewöhnlicher begehen. Selbst, wenn man keine eigene Tanne draußen stehen hat, oder keinen zusätzlichen Baum mehr einpflanzen möchte: Was spricht denn dagegen, einen Birnen-, Kirsch- oder Apfelbaum schön zu schmücken und die Geschenke darunter auf einem Tisch zu präsentieren? Ach so, klirrende Kälte und Schnee womöglich. Mit einer eigenen Eisbar und ausreichend selbstgemachtem Punsch aber trotzdem nicht die schlechteste Idee. Das größte Plus beim Feiern im Freien: Das Hausbrand-Risiko sinkt erheblich.

Teaserbild: Alfred Diem