Dein Geld für meine Idee: Durch Schwarmfinanzierung im Internet kann jeder anderen Menschen dabei helfen, deren soziale und ökologische Projekte zu realisieren.

Am Businessplan lag es nicht, da ist Katrin Blaschke sicher. Die Idee für ihr Sozialunternehmen Kuchentratsch war gut nachvollziehbar, als die Münchnerin sie mit Studienkollegin Katharina Mayer der Bank vorstellte: Seniorinnen und Senioren sollten beim gemeinsamen Kuchenbacken für ein paar Stunden aus der Einsamkeit ausbrechen und nebenbei ihre Rente aufstocken können. Das mit Liebe und Erfahrung produzierte Backwerk würden sie an Privat- und Geschäftskunden verkaufen.

Ihr Konzept war im Sommer des vergangenen Jahres auch längst kein Hirngespinst mehr, sondern sogar schon genießbar. Omas Kuchen aus regionalen Zutaten, großteils in Bio-Qualität, hatten nämlich bereits größere Abnehmer gefunden. Was sollte da eigentlich noch schiefgehen? „Wir hatten null Eigenkapital“, sagt Blaschke. „Wir kamen ja frisch aus dem Studium.“ Der Bank war die Finanzierung der eigenen, seniorengerechten Backstube deshalb zu heiß. Darum aber von nun an kleinere Brötchen zu backen, kam für die jungen Sozialunternehmerinnen nicht in Frage. Sie wollten schließlich „mit Kuchen die Welt ein Stückchen besser machen“ und holten sich deshalb Hilfe bei fremden Menschen im Internet. Sie starteten eine Finanzierungskampagne auf der Plattform „Social Impact Finance“ von Startnext.

Crowdfunding nennt man diese neue Art der Geldbeschaffung. Auf spezialisierten Webseiten stellen Menschen ihr Vorhaben vor, für das sie eine festgelegte Mindestsumme benötigen. Mit kleinen Spenden ab einem Euro bis zu großen Sponsoring-Paketen über mehrere tausend Euro können Interessierte sich daran finanziell beteiligen. Im Normalfall sind die Unterstützer dabei recht abgesichert: Erreicht ein Projekt innerhalb der Laufzeit die Zielsumme nicht, erhält man sein Geld zurück.

In Europa steigerte sich das Finanzierungsvolumen durch Crowdfunding laut einer Studie der Cambridge University und der Unternehmensberatung Ernst & Young im Jahr 2014 um ganze 144 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro. Davon entfielen immerhin 140 Millionen auf Internetplattformen aus Deutschland. 78 verschiedene Anbieter gibt es hierzulande – von kleineren, lokalen Plattformen wie Der Hamburger Weg oder Crowdfunding Südbaden über spezialisierte wie die Sportförderungs-Seite Aurango.

Vier Arten

Beim Crowdfunding-Typ 1 bekommen die Unterstützer eine Gegenleistung. Komplett spendenbasiert ist hingegen Typ 2. Bei Typ 3 handelt es sich um Minikredite, bei Typ 4 um Investitionen in Form von Nachrangdarlehen.

Kinderbücher, Kinofilme, Konzerte: Oft wird Crowdfunding mit kreativen Produktionen in Verbindung gebracht. Doch auch ökologische Projekte finden im Internet auf Nischenplattformen ein Publikum. Eine Sauna für Bienen, mit der Imker schonend Milben entfernen können, war ebenso erfolgreich wie die giftfreien Bio-Tampons der niederländischen Marke Yoni, die bald in vielen Supermärkten zu kaufen sein sollen.

Die Gründer bedanken sich bei ihren Unterstützern für das Vorschuss-Vertrauen mit sogenannten „rewards“. Eine Gegenleistung kann das spätere Produkt sein, eine Namensnennung als Gönner oder auch ein schönes Erlebnis. So durften all jene Unterstützer, die 250 Euro in das Kuchentratsch-Projekt steckten, mit den Gründerinnen eine Stadtführung durch München machen und die Backstube besichtigen.

Jeder Euro zählt

Für den österreichischen Crowdfunding-Experten Wolfgang Gumpelmaier sind die Exklusivität und die Nähe zu einem Projekt wichtige Gründe, warum das Konzept so gut ankommt. Viele Menschen wollen die ersten sein, die ein Produkt oder ein Erlebnis haben können“, sagt der Berater für digitale Kommunikation. „Und sie möchten für ihr Geld etwas bekommen, das der Masse nicht zugänglich ist.“

Noch selbstloser denken die Unterstützer auf spendenbasierten Crowdfunding-Plattformen wie www.betterplace.org. Auf der größten deutschen Spendenplattform gibt es bis auf eine Bescheinigung fürs Finanzamt keine Gegenleistung und auch keine Grenze, die ein Projekt unbedingt erreichen muss. Nach dem Motto: Jeder Euro zählt. „Wenn die Kosten transparent aufgeschlüsselt sind, klappt es aber eher mit der Finanzierung“, sagt Betterplace-Mitgründerin Joana Breidenbach (s. Interview).

Die Ingenieure ohne Grenzen sammeln für Zisternen in Tansania, der ökologisch geführte Leipziger Gemeinschaftsgarten Annalinde bittet um Geld für das Hühnerfutter und eine Wiener Ärztin braucht Mittel für ihre Selbststudie über vegane Ernährung in der Krebsheilung. Die Kraft der Crowd, also der Gemeinschaft der Internetnutzer, wird jedoch nicht nur von kleinen Initiativen genutzt. Große Non-Profit-Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen, UNICEF oder Caritas sind ebenfalls auf Betterplace vertreten. Obwohl sie selbst über gekonnt konzipierte Kampagnen, professionelle Webauftritte und große Netzwerke verfügen, erreichen sie hier noch zusätzliche Zielgruppen.

Denn im Internet von heute werden Menschen auf ganz andere Art angesprochen als mit der guten alten Postwurfsendung. „Ohne die Schneeballeffekte der sozialen Netzwerke würde Crowdfunding nicht so gut funktionieren“, sagt Kommunikationsberater Gumpelmaier, der den Markt seit 2009 beobachtet und vor allem im Filmbereich schon erfolgreich eigene Projekte mit Crowdfunding finanzieren konnte. „Das Tolle ist, dass man potenziell auf der ganzen Welt Mitstreiter für seine Sache finden kann.“

Crowdfunding ist aber nicht nur für Idealisten interessant. Vor allem monetäre Ziele verfolgen Unterstützer bei „Crowdinvesting“-Plattformen, die jungen Unternehmen frisches Kapital und Anlegern tolle Renditechancen in Aussicht stellen. Beim „equity based“-Crowdfunding geben private Investoren meist Geld in Form von Nachrangdarlehen – etwa für eine große Solaranlage.

Verlockende Konditionen

„Dabei haben Anleger vor allem Nachteile“, warnt Dorothea Mohn, die Leiterin des Teams Finanzen beim Verbraucherzentrale-Bundesverband: „Sie haben null Mitspracherecht und im Fall einer Insolvenz stehen sie hinter allen anderen Gläubigern an.“ Für sie ist es ein Hochrisikoinvestment, das für den allgemeinen Vermögensaufbau und die Altersvorsorge völlig ungeeignet ist.

Doch klingen Konditionen wie geringe Festzinsen und gewinnabhängige Zinszahlungen verlockend. Unsicher ist aber, ob man sein Geld am Ende zurückbekommt. „Die ersten Nachrangdarlehen müssen erst 2016 ausgezahlt werden. Erst dann können wir die Erfolgsquote der Investments beurteilen“, sagt Mohn. Ein neues Kleinanlegerschutzgesetz regelt auch diese bisher unbekannte Art der Finanzierung nun etwas strenger, etwa mit vorgeschriebenen Informationsblättern und Investitionsbeschränkungen. Schon jetzt weisen Crowdinvesting-Plattformen deshalb sehr deutlich darauf hin, dass es zum Totalverlust der eingesetzten Summe kommen kann.

Ein ungeahnter Aufwand

Zwei Monate ist es her, dass Blaschke und Mayer ihre Kampagne erfolgreich beendet haben; insgesamt erhielten sie von 361 Unterstützern genau 24 630 Euro. Kuchentratsch hat nun eine neue Backstube und der Betrieb ist bereits kostendeckend. Es scheint, dass Crowdunding für Gründer zu einer echten Alternative geworden ist. „Die Kreditklemme, die nach der Finanzkrise gerade für kleine und mittlere Unternehmen spürbar war, hat sicher zum Erfolg beigetragen“, sagt Wolfgang Gumpelmaier. Doch solle der wahre Charakter von Crowdfunding nicht vergessen werden, sagt der Kommunikationsstratege. „Viele verstehen es als reine Finanzierungsmethode. Dabei kann die Crowd, wenn man sie lässt, sich sehr nützlich einbringen.“

Mit dem Finanzierungserfolg ist die Arbeit übrigens nicht vorbei, denn Crowdfunding zieht einen Rattenschwanz an Aufgaben nach sich. „Noch Wochen nach dem Ende der Kampagne radelte Katharina durch ganz München, um unsere Gegenleistungen für die Unterstützer zu besorgen“, sagt Katrin Blaschke von Kuchentratsch. „Es ist ein ungeahnter Aufwand, alles zu koordinieren und zu verschicken.“ Dabei hatten die beiden sich in weiser Voraussicht sogar für sechs Wochen eine Freundin ins Boot geholt, die ihre Kampagne geplant und betreut hat. „Man darf die Arbeit, die vor und nach dem Crowdfunding entsteht, nicht unterschätzen“, sagt auch Gumpelmaier. Ein professionelles Video, eine schöne Kampagnenseite und eine Medienstrategie seien ein Muss, wenn man Erfolg haben möchte (weitere Tipps hier).

Die jungen Kuchentratsch-Gründerinnen hatten all das. „Trotzdem ist die Kampagne nie so richtig geflogen“, sagt Blaschke. Für sie stand der Aufwand nicht ganz im Verhältnis zum Ertrag. Darum empfiehlt sie Crowdfunding vor allem Startups, die ihre Idee generell bekannter machen wollen.

Im Nachhinein hätten die beiden Gründerinnen für die Einrichtung ihrer eigenen Backstube lieber noch stärker eine ganz andere Geldquelle angezapft. Eine Quelle, die kein Werbe-Video und keine perfekte Kampagne benötigt, aber dafür vielleicht etwas mehr Mut: Privatdarlehen von ihren Freunden und von der Familie.